DAS GUTE IN UNS!

Nähere immer wieder die Gefühle von Freude und Harmonie! 

SPIEGEL ONLEINE Bericht vom 12.04.2010

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12.04.2010

Zeitungsartikel Focus:

Die Suche nach dem Guten in uns.

Wie können Menschen zu selbstlosem Handeln und Mitgefühl gebracht werden? Um eine Antwort zu finden, stecken Hirnforscher mitunter gar Mönche in Kernspintomografen. Jetzt haben sich Ökonomen in der Schweiz mit dem Dalai Lama zusammengetan, um sich dem Wesen des Guten zu nähern. Der Mensch ist selbstsüchtig. Auf dieser Prämisse gründen Wirtschaftswissenschaftler ihre Theorien über den Markt und seine Mechanismen. Der Mensch besitzt gar ein Egoismus-Gen. So lautet das Mantra vieler Biologen.

"Das stimmt so nicht", sagt der Ökonom Ernst Fehr von der Universität Zürich, der seit einigen Jahren einen Kampf für die Anerkennung des Guten im Menschen führt. Jetzt hat der Forscher geistigen Beistand gefunden: den Dalai Lama.

An diesem Wochenende saß er mit dem Oberhaupt der buddhistischen Tibeter viele Stunden auf einem Podium im Zürcher Kongresshaus. "Altruismus und Mitgefühl im Wirtschaftssystem" lautet der Titel der Konferenz. Mit dabei waren: Hirnforscher, Psychologen, Ökonomen und sogar Finanzinvestoren. Für einen Wissenschaftskongress ist das ein ungewohntes Bild: Der Dalai Lama hat die Beine zum Schneidersitz gefaltet, trägt eine rote Baseballkappe gegen das Scheinwerferlicht. Vor dem weißen Sessel stehen seine Schuhe. Hinter ihm sind blühende Kirschzweige zu sehen. "Mein Wirtschaftswissen ist gleich null", sagt er gleich zu Beginn und lacht sein kehliges Lachen.

Niemand der über 500 Gäste würde ihm dieses Geständnis übelnehmen. Der Dalai Lama hört sich an, was Fehr zum Forschungsstand zu berichten hat: In Spielexperimenten sind Menschen bereit, eine Geldsumme mit einer anderen Person zu teilen, obwohl sie das eigentlich nicht machen müssten. "Das Gerechtigkeitsempfinden ist sehr stark ausgeprägt, über alle Kulturen hinweg", sagt Fehr.

Schwieriger wird es schon, wenn man eine Vierergruppe von Menschen anonym auffordert, Geld für eine Gemeinschaftsaufgabe zu geben - und ihnen die Möglichkeit lässt, nichts zu zahlen, aber trotzdem von dem Geld zu profitieren, das andere einzahlen. Im Steuersystem gibt es solche Betrüger oder in der U-Bahn die Schwarzfahrer. "Schmarotzer finden wir immer", berichtet Fehr von seinen Studien. Vor allem sei das so, wenn seine Experimente in Ländern gemacht werden, wo Misswirtschaft und Korruption herrschen.

"Der Mensch handelt nur altruistisch im Bewusstsein, dass andere sich auch so verhalten", sagt er und wirft eine Grafik an die Wand mit einer stark abfallenden Kurve. "Wo immer Egoisten auf den Plan treten, bricht Kooperation zusammen." Mönch im Kernspintomografen Vertrauen, Altruismus und Mitgefühl sind in den Augen des Experimentalökonomen wichtige Bedingungen für Wohlstand und wirtschaftlichen Erfolg.

Darin liegt auch die Schnittstelle zum Buddhismus. Religiöse Praktiken wie die Meditation, so doziert der Dalai Lama, dienten zum Erlernen von Mitgefühl und Selbstlosigkeit: "Buddhismus, das ist eigentlich die Wissenschaft vom Geiste." Was Fehr besonders interessiert: die Fähigkeit buddhistischer Mönche, bestimmte Gefühlszustände durch Meditation bewusst herbeizuführen. Er beobachtet sie im Kernspintomografen, um zu studieren, welche Hirnregionen bei altruistischem Verhalten aktiv sind.

Eines jener Studienobjekte war in Zürich anwesend:

Matthieu Ricard, ein Franzose und gelernter Molekularbiologe, der seit über 20 Jahren in einem buddhistischen Kloster in Asien lebt. "Mit nur wenigen Monaten Training kann man Mitgefühl in sich entstehen lassen", sagt Ricard und berichtet von hirnphysiologischen Experimenten, die zeigen, dass Menschen, die regelmäßig meditieren, mehr Anteilnahme zeigen, wenn man ihnen etwa Bilder von leidenden Menschen vorführt. Um sich in eine Stimmung von Anteilnahme zu versetzen, stelle man sich zunächst eine Person vor, von der man bedingungslose Liebe erfahren habe.

"Für viele ist das die eigene Mutter", sagt Ricard. Schrittweise dehne man dann dieses Gefühl aus auf alle Menschen.

"Das ist, wie wenn man sich vorstellt, dass die Sonne nicht nur auf einen selbst scheint, sondern auf alle Lebewesen." Solche Ideen waren lange nichts für nüchterne Forscher, und auch heute würde nicht jeder Wissenschaftler seine Labore für spirituelle Menschen wie Ricard öffnen.

"Ich bin selber kein Buddhist", sagt Fehr. Ihn interessiere aber, ob man Menschen zum Altruismus erziehen könne, und da habe er die Vermutung, dass der Buddhismus helfen könne.

"Gebt mir dieses Oxytocin" Eine Mitstreiterin von Fehr ist Tania Singer, die Professorin an seinem Institut ist. In ihren Experimenten macht sie die Versuchspersonen vertrauensseliger durch ein Hormon namens Oxytocin, das sie in die Nase der Studienteilnehmer sprüht.

"Gebt mir dieses Oxytocin", scherzt der Dalai Lama, während Singer ihm und den Kongressteilnehmern von ihren Versuchen berichtet. Sie sagt: "Das wirkt aber nur 20 Minuten." Woraufhin der Dalai Lama erwidert: "Egal.

" Dabei will Singer in jetzt anlaufenden Versuchen das Oxytocin ersetzen, indem sie ihren Probanden das Meditieren beibringt. "Unsere Hypothese ist, dass Menschen mit Mitgefühl deutlich altruistischer sind", sagt Singer. Sie ist unter anderem an der Erforschung bestimmter Nervenzellen beteiligt, sogenannter Spiegelneuronen, die helfen, den Gemütszustand des Gegenübers zu erkennen. Singer und Fehr sind auf einem Forschungsfeld aktiv, das in der letzten Zeit populär geworden ist.

An der Eliteuniversität Stanford etwa haben Hirnforscher gemeinsam mit dem Dalai Lama das Center for Compassion and Altruism Research gegründet. Außerdem sind eine ganze Reihe von Sachbüchern zum Thema erschienen, von so unterschiedlichen Autoren wie dem US-Ökonomen Jeremy Rifkin und dem Affenforscher Frans de Waal.

Es hängt wohl vor allem mit der globalen Finanzkrise und dem Unmut über die Gier der Banker zusammen, dass derzeit so viel über Altruismus geredet wird. Der Ökonom Fehr ist davon überzeugt, dass ein gerechtes, demokratisches und gut organisiertes Staatswesen nötig ist, um mehr Gemeinsinn zu stiften. Fehr glaubt an die Veranlagung des Menschen zum Guten. "Die meisten Menschen haben eine optimistische Vorstellung darüber, dass die Mitmenschen altruistisch sind.

" Ihn stört auch nicht, dass einige Menschen Gutes nur tun, um sich selber gut zu fühlen. Da ist er Wirtschaftswissenschaftler und Pragmatiker.

Es komme auf das Resultat an. Hauptsache sei doch, dass die Menschen kooperieren, statt sich gegenseitig auszustechen.

"Aus welchen Motiven auch immer", sagt Fehr. Der Dalai Lama wusste zu dem zweischneidigen Charakter des Altruismus eine Anekdote zu erzählen. Manchmal, so sagt der Religionsführer, lasse er sich ganz selbstlos von einer Mücke stechen und Blut saugen. "Ein Wohlgefühl stellt sich nachher allerdings nicht ein."

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